Du hast eine Strafe wegen Verstoß gegen Covid-19 Maßnahmengesetz erhalten? Nicht zahlen, Einspruch einlegen. Eine Anleitung für den Umgang mit Strafen in Österreich findest du hier.
Wir arbeiten gerade an einer Sammlung von Einspruchsmöglichkeiten in anderen Ländern, sowie eine Übersetzung ins Englische. Nachdem das Thema aber drängt wollten wir nicht damit warten bis alles fertig ist sondern werden andere Länder sowie Übersetzungen Stück für Stück ergänzen!
Falls du bereits gute Sammlungen oder Quellen für andere Länder kennt – schreibt uns: [email protected]
You were fined for violating the Covid-19 Measures? Don’t pay, object. You can find a guide to dealing with fines in Austria here.
We are currently working on a collection of legal objections in other countries and a translation into English. But since the topic is very urgent we did not want to wait until everything is ready but will add other countries and translations step by step!
If you already know good Collections or Sources for other Countries – write us: [email protected]
Seit 16.03.2020 hat die Polizei viele Verwaltungsstrafen ausgestellt, die mit der Durchsetzung der Covid-19-Normen begründet werden. Die Cops können selbst entscheiden, ob sie abmahnen, ein Organstrafmandat ausstellen oder eine Anzeige erstatten. Die Anzahl der Anzeigen veröffentlicht die Polizei übrigens nur einmal wöchentlich, denn sie will „vom Image der strafenden Organisation wegkommen“.
Zur Hintergrundinfo: Die Strafen basieren auf den vor einem Monat erlassenen Verordnungen, die wiederum auf dem „Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 (Covid-19-Maßnahmengesetz)“ und dem „3. Covid-19 Gesetz“ aufbauen. Sie und das Epidemiegesetz von 1950 sind die Gesetzesgrundlagen.
Im Falle des Nicht-Einhaltens der Betretungsverbote wie auch beim Ignorieren des vorgeschriebenen Ein-Meter-Abstands oder anderen „Verstößen“ gegen die Covid-19-Maßnahmen drohen Strafen in der Höhe von bis zu 3.600 Euro. Lokale, die trotz Verbot aufsperren, werden mit bis zu 30.000 Euro bestraft.
Bis jetzt wurden diese Übertretungen nach dem Epidemiegesetz und dem Covid-19-Maßnahmengesetz mit Anzeigen abgewickelt – mit Strafverfügungen, um genau zu sein, oder bei Summen über 600 Euro wurde ein ordentliches Strafverfahren eingeleitet. Nun kommt eine neue Variante dazu, die es der Polizei erlaubt, bei ihren Kontrollen (auch in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln) Geldstrafen einzuhaben.
Ergänzung – Neu: Strafverfügung: EINSPRUCH – Argumentationsbausteine und Vorlagen
Strafverfügung: EINSPRUCH – Argumentationsbausteine und Vorlagen
Welche Strafen werden in Bezug auf die Covid-19 Maßnahmen verhängt? Und was kann ich tun?
1) Die Organstrafverfügung gemäß § 50 Verwaltungsstrafgesetz:
Ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes verhängt gegen dich eine vor Ort (oder mit Zahlschein binnen 14 Tagen) zu bezahlende Strafe mit Quittung. Diese Strafen müssen im Vorhinein festgelegt werden und dürfen 90 Euro nicht überschreiten!
Festgelegt wurden bisher folgende Beträge:
– 25 Euro, wenn du in Geschäften oder Öffis keine Maske trägst
– 50 Euro für andere Verstöße, z.B. die Nichteinhaltung von Ausgangsbeschränkungen, das Betreten von Gebieten, die unter Quarantäne gestellt worden sind sowie von eigentlich geschlossenen Läden etc.
Der Unterschied zur Strafverfügung (siehe weiter unten) besteht darin, dass das Organmandat/die Organstrafverfügung nicht von der Behörde (z.B. Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat) verhängt und eingetrieben wird, sondern von einem Organ der öffentlichen Aufsicht (z.B. Polizist). Das Organ hat dir immer einen Beleg auszuhändigen.
Da die Organstrafe kein Bescheid ist, gibt es gegen sie auch kein Rechtsmittel. Das heißt: Sie wird gegenstandslos, wenn du die Zahlung des Strafbetrages oder die Entgegennahme des Belegs verweigerst. Etwas anderes kannst du aber nicht tun. Als Verweigerung der Zahlung gilt auch die Unterlassung der Einzahlung binnen zwei Wochen. Für den Fall dass du aber zahlen willst: Die Sache ist damit erledigt und scheint nirgends mehr auf (im Gegensatz zu einer Anzeige mittels Strafverfügung oder einem ordentlichem Verwaltungsvefahren).
Bei Nicht-Zahlung kommt es zur Einleitung eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens (siehe Punkt 3), oder aber auch eine Strafverfügung (siehe Punkt 2) ist möglich. Erst dann kannst du ein Rechtsmittel einlegen.
Organstrafverfügung TO DO:
- Nicht bezahlen! Sonst ist später kein Rechtsmittel mehr möglich.
Aber: Die Höhe der Strafe (nach einer nicht bezahlten Organstrafe) in dem darauffolgenden ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren kann höher sein als die ursprüngliche Organstrafe.
2) Die Strafverfügung gemäß § 47 Verwaltungsstrafgesetz:
Ein weißer Brief (Rsb Brief) liegt im Postkasten. Eine Strafverfügung ist ein Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren. Es können Strafen bis (!) zu 600 Euro mittels Strafverfügung verhängt werden.
Wenn dagegen Einspruch erhoben wird, wird ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren mit einem Ermittlungsverfahren eingeleitet. Beim Ermittlungsverfahren hat der*die Beschuldigte die Gelegenheit, sich mündlich zu rechtfertigen – Beweise und Zeug*innen können vorgebracht werden.
Aus diesem Verwaltungsverfahren geht dann ein Straferkenntnis hervor, gegen welches wiederum eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden kann. Sowohl bei Einspruch als auch bei Beschwerde gibt es keine Anwält*innenpflicht.
Was tun, wenn ein weißer Brief mit einer Strafverfügung ins Haus flattert? Bezahle die Strafe keinesfalls! Stattdessen: Erhebe ein Rechtsmittel, und zwar:
Einspruch gemäß § 49 Verwaltungsstrafgesetz einlegen:
Dieser Einspruch gegen eine Strafverfügung ist binnen 2 Wochen nach Zustellung (Moment, in dem der Brief im Postkasten liegt) zu erheben. Vorsicht, hier sind die Fristen wie in anderen gerichtlichen bzw behördlichen Sachen zur Zeit nicht ausgesetzt, also unbedingt rechtzeitig einbringen!
Gegen 3 Punkte kannst du Einspruch erheben:
- Ausmaß bzw. Art der verhängten Strafe,
- die Höhe der Strafe und
- den Schuldspruch (dass und warum du schuldig bist)
Wenn im Einspruch die Bestrafung an sich (Schuldspruch) bekämpft wird, dann tritt die Strafverfügung mit dem Einspruch außer Kraft. Die Behörde erstattet dann Anzeige und leitet ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren ein.
Wird aber nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten bekämpft, werden die nicht bekämpften Teile rechtskräftig (also nicht mehr abänderbar – die Strafe an sich bleibt also dann bestehen)! Das heißt, du kannst nur gegen einen oder zwei der Punkte einen Einspruch erheben, aber sinnvoller ist es, im gesamten einen Einspruch zu machen.
Hier folgt wieder ein Bescheid – ein sogenannten Straferkenntnis, gegen das du eine Beschwerde einlegen kannst.
Der Unterschied zur Organsstrafe: In dem Straferkenntnis nach einer Strafverfügung darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der angefochtenen Strafverfügung selbst (§ 49 VStG). Aber es können zehn Prozent der Strafe an Verwaltungskosten dazu kommen, wenn die erste ursprüngliche Entscheidung über die Strafe bestätigt wird.
By the way:
Nach der Judikatur müssen sämtliche Angaben in der Strafverfügung präzise sein. Denn § 44a VStG bestimmt nämlich, dass der Spruch (der Kern der Strafverfügung) folgende Angaben enthalten muss:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
Es muss insbesondere völlig ausgeschlossen sein, dass eine zweite Bestrafung aufgrund desselben Vergehens erfolgen kann. Oft geben Strafverfügungen den Ort oder die Zeit nicht genau wieder. Schon aus diesem Grund könnte eine spätere Anfechtung möglich sein.
Manche Anwält*innen versuchen auch, mit einem sogenannten „Verbotsirrtum“ (wenn der Täter das Unrecht seiner Tat nicht erkennt) eine Strafverfügung zu bekämpfen. Deren Argumentationslinie hierbei ist, dass die Medienberichterstattung, die Aussagen der Regierung und die zu dem jeweiligen Zeitpunkt erlassenen Verordnungen im Widerspruch zueinander standen. Ein Verbotsirrtum würde auch eine Milderungsgrund bedeuten. Es wird außerdem darüber diskutiert, ob die Verordnungen korrekt erlassen wurden bzw. ob sie teilweise rechtswidrig sein könnten.Inwieweit das relevant ist bzw. wird, wird sich in nächster Zeit zeigen. Dazu bekommst du nähere Auskunft bei deiner Rechtsberatung.
Strafverfügung TO DO:
- Innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung – sonst ist es zu spät – einen Einspruch machen
- Kopiere die Strafverfügung. Streiche sie durch und schreibe „EINSPRUCH gem § 49 VStG“ dazu. „In Eventu: Strafmilderung gem. § 20 VStG“ (man kann auch das „weil“ kurz erläutern, aber wenn, dann soll das bitte so wenig Info über dich wie möglich enthalten.)
- Dann unterschreiben!
- Außerdem einen extra Zettel beilegen: „Hiermit beantrage ich den Antrag auf ungekürzte Akteneinsicht gem § 17 AVG in betreffendem Verfahren (Aktenzahl/Geschäftszahl)“ + Unterschrift“.
- An die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat zurückschicken (eingeschrieben und die Sendungsbestätigung gut aufheben)
3) Ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren wird eingeleitet (von Amts wegen gemäß § 25 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz)
Wenn die verhängte Verwaltungsstrafe eine Summe von 600 Euro überschreitet, leitet die Behörde ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren ein. Dabei gibt es ein Ermittlungsverfahren, in welchem dem*der Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt wird, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen (es kommt eine Ladung per Brief). Oder anders gesagt: Du wirst aufgefordert, zur Vernehmung zu erscheinen. Und/oder du bekommst eine Aufforderung zur Rechtfertigung. Du bekommst auch eine Verständigung über die Beweisaufnahme.
Dir stehen folgende Rechte zu:
- eine*n Verteidiger*in in Anspruch zu nehmen
- in den Akt einzusehen und
- zweckdienliche Beweismittel zur Entkräftung des Tatverdachts vorzulegen (etwa Zeug*innen zu benennen oder Videobeweise einzubringen).
Das Verfahren wird mit einem Straferkenntnis beendet, gegen welches das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde (innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung des Straferkenntnissen) an das zuständige Verwaltungsgericht erhoben werden kann.
Egal ob du eine mündliche oder schriftliche Aussage machen sollst:
- Verweigere die Aussage bzw. sage so wenig wie möglich, um der Behörde so wenig Angriffsfläche wie möglich für ihre Argumentationsbildung zu bieten (egal ob mündlich oder schriftlich).
- Falls du trotzdem eine Aussage machen möchtest, überlege gut und argumentiere schlüssig! Weniger Info ist besser.
Das Verfahren geht dann zwar trotzdem weiter, aber es ist sinnvoller, im Anschluss die Beschwerde – am besten mithilfe einer Rechtsberatung zu machen. Dabei kannst du auch eine (öffentliche) mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragen. Über Rechtsmittel für die nächste Instanz (dort gilt Anwält*innenpflicht) nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes informiert euch bitte bei eurer Rechtshilfe .
Wo gibt es Unterstützung?
RIKO: Viel Info auf der Website und Unterstützung
Volksanwaltschaft: Überprüft zB Strafverfügungen und gibt Hilfe bei Problemen mit Behörden
„Links“ unterstützt mit Kontakten zu Anwält*innen, die kostenlos arbeiten.
Und hier findest du eine Langfassung des Beitrags mit noch mehr rechtlicher Info.
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